Eine „Stadtdenkerin“ war bei Klausurtagung des Marktgemeinderates für eine „baukulturelle Bildung“

SCHIERLING, 10.11.2019. Die „Stadtdenkerin“ Dr. Turit Fröbe warb bei der Klausurtagung des Marktgemeinderates für einen stets „liebevollen Blick“ auf die Stadt und auf die Orte, denen man besonders verbunden ist. Bürgerinnen und Bürger, die sich auf so etwas einlassen würden sich in einen Zustand versetzen, der einer Städtereise gleicht: Sie würden offen, wach und neugierig, damit alles wahrnehmen, was sie im Alltag übersehen. So sei es für die Verantwortlichen einfacher, mit den Bürgern über ihre Heimatorte zu sprechen und diese wären so bereit, an positiven Veränderungen mitzuwirken.

Dr. Turit Fröbe und Bgm. Christian Kiendl bei der Präsentation

Der Schierlinger Marktgemeinderat hat sich bei der Klausurtagung unter Leitung von Bürgermeister Christian Kiendl von der „Stadtdenkerin“ Dr. Turit Fröbe (lilnks) inspirieren lassen, auf die Heimatorte immer einen „liebevollen Blick“ zu werfen.

Bürgermeister Christian Kiendl begrüßte die Referentin im Arberhotel Regen und bat die Kolleginnen und Kollegen aus dem Marktgemeinderat, sich darauf ein- und inspirieren zu lassen, wie die Zukunft der Heimatgemeinde weiterhin gemeinsam mit den Bürgern gestaltet werden kann. Das „Stadtdenker“-Konzept sei geeignet, einen Ort aufzuwerten, ohne dass dazu ein Stein verändert worden sei. Denn es beruhe darauf, die Leute dazu zu bringen, auch all das wahrzunehmen und wertzuschätzen, was sie im Alltag einfach übersehen.

Baukulturelle Bildung

Ein Ziel und Ergebnis sei eine „baukulturelle Bildung“, mit der ein Bewusstsein für Architektur und Städtebau entstehe. In Paderborn habe sie dazu das Pilotprojekt gemacht und viel mehr Menschen als angenommen hätten sich darauf eingelassen und seien „auf die Couch gekommen“. Wichtig sei in einem solchen Prozess, dass der „liebevolle Blick“ im Vordergrund stehe und nicht die vorschnelle Kritik, die heute üblich sei. „Denn sonst man schnell in der Sackgasse und kommt nicht mehr heraus!“, so Dr. Fröbe.

Die Referentin ist studierte Architekturhistorikerin und Urbanistin, und hat einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Bausünden gelegt. Über 1000 solcher Bausünden habe sie bundesweit dokumentiert und publiziert, darunter auch in „Abreiß-Kalendern“ mit jeweils 365 Bausünden. Doch gleichzeitig erklärte sie den Schierlingern, dass viele Bausünden viel besser seien als ihr Ruf. Und unter bestimmten Prämissen könne es sogar sinnvoll sein, diese zu erhalten.

Bausünden oft besser als ihr Ruf

Um aber als örtlich Betroffener überhaupt zum Attest „Bausünde“ zu kommen, müssten den Menschen Gelegenheiten gegeben werden, ihre vertrauten Orte, ihre vertrauten Alltagsräume in allen Facetten lesen zu lernen. Dazu sei die Bereitschaft, allem etwas Positives abzugewinnen, eine Grundvoraussetzung. Eine solche Haltung aber sei ein “wirkmächtiges Instrument“ für die Zukunftsstrategie einer Gemeinde gemeinsam mit den Bürgern.

Grundstein für neuen Blick

Schnell wurde klar, dass Dr. Fröbe keine „Expertin“ oder Stadtplanerin im üblichen Sinn sein will, und dass sie keine Ratschläge oder Konzepte liefert, sondern dass es ihr allein darauf ankommt, bei den Bürgerinnen und Bürgern für einen neuen Blick auf die Orte zu werben. Sie strahlt die dafür unabdingbare Euphorie zu jeder Minute aus, und habe hat sie wohl in verschiedene Städte übertragen können. Bei denen sei es gelungen, den Grundstein für einen neuen Blick auf die Heimatgemeinde, sowie ein neues Heimatgefühl und Heimatbewusstsein zu legen. Dazu hat Dr. Fröbe einige Spiele entwickelt, die dem Ziel dienlich sind, denn gerade spielerisch seien nach ihrer Erfahrung die besten Ergebnisse zu erzielen. „Lassen sie ihre Bürger selbst eine Führung durch ihren Ort machen!“, forderte sie die Schierlinger Markträte auf. Oder die Bitte an die Bürgerschaft, jeweils ihren Lieblingsplatz im Ort zu benennen.

Lieblingsplätze benennen lassen

Es könne auch sein, dass man den Alltagsweg, also den täglichen Weg zur Arbeit, in die Schule, zur Bushaltestelle oder zum Einkaufen, beschreiben lässt, und schließlich könne eine Nachtwanderung ganz neue Sichtweisen ermöglichen. „Sie werden sehen, dass jeder Bürger sein eigenes Ortsbild hat, und dass durch solche Gelegenheiten die Menschen lernen, näher hinzuschauen, die Augen auch in eine andere Ebene zu heben, und vieles besser zu wertschätzen!“, sagte die Referentin. So gelinge es in der Regel auch, durch das genauere Hinschauen auf die Architektur, dieser etwas Gutes abzugewinnen, und so gelinge es hoffentlich auch, dass sich Bürgerinitiativen nicht immer nur gegen etwas bilden, sondern auch für etwas.

Bürgerbeteiligung im Wandel

In der Diskussion wurde klar, dass sich Bürgerbeteiligung ständig im Wandel befindet und immer neue Aspekte, Methoden und Hilfestellungen zielführend sind. Schierling habe vor 20 Jahren die erste große Aktion gestartet und vor zehn Jahren mit dem Gemeindeentwicklungskonzept angesetzt. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass mit einer Zielsetzung und Strategie wieder ein solcher Prozess mit dem Ziel des „liebevollen Blicks“ auf die Heimat wünschenswert wäre. Bürgermeister Christian Kiendl dankte für die beeindruckende Inspiration und überreichte zum Dank einen Blumenstrauß.

 
Text und Foto: Fritz Wallner