Sehnsucht nach Frieden

Schierling. Der Dank für die Errettung aus Kriegsnot vor 78 Jahren, die Erinnerung an schwere Zeiten der Vorfahren und die Sehnsucht nach Frieden, zogen sich wie ein roter Faden durch die öffentliche Kranzniederlegung und den ökumenischen Gottesdienst am Freitagabend. Heute leben immer noch Menschen in Schierling und der Umgebung, welche die Tage des Schreckens und Bangens erlebt haben. Nicht nur deshalb plädierte Bürgermeister Christian Kiendl für eine Erinnerungskultur, die Respekt zeigt für die unsägliche Not, die Kriege gebracht haben. Die Pfarrer Bernhard Pastötter und Uwe Biedermann wünschten sich persönliche Friedensbekenntnisse und „Friedensbrücken“, die im Kleinen wie im Großen gleichermaßen nötig seien.

Am Gedenkstein war zwischen der Bundes- und Marktflagge die Schierlinger Friedensfahne aufgehängt worden, die das Wort „Frieden“ in unzähligen Sprachen zeigt. Die „Schierlinger Doafmuse“ umrahmte die Feier, bei der Bürgermeister Kiendl den Historiker Prof. Christoph Cornelißen zitierte, wonach Erinnerungskultur den Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte bezeichnet. Es gehe um das kollektive Gedächtnis und immer um die konkrete Ausprägung, so der Bürgermeister. Das gelte auch in Schierling. In einer Zeit, in der viele Menschen mit sich selbst beschäftigt sind, in der nach wie vor das Geld die wichtigste Rolle zu spielen scheint, und fast alles auf seine „Wirtschaftlichkeit“ abgeklopft wird, bestehe die Gefahr, dass man die Geschichte aus dem Auge verliert. In der Gemeinde Schierling gebe es in Zusammenhang mit dem Erinnern an den Zweiten Weltkrieg eine Geschichte mit verschiedenen Facetten. „Da ist die Gefahr von Ende April 1945, die durch die Muna ausging, und deren Rettung wir uns heute dankbar erinnern. Da ist Theres Wallner, die am 4. November 1940 von eiskalten Nazi-Machthabern, wie insgesamt etwa 300 000 deutsche Landsleute, als angeblich unwertes Leben bestialisch ermordet wurde. Und da sind die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg, die in der damals bäuerlichen Struktur Schierlings unterkommen konnten und mussten“, so Kiendl. Schierling habe zum Ende des Krieges knapp 2000 Einwohner gehabt und musste dazu etwa 1000 Flüchtlinge aufnehmen. Das sei eine großartige Leistung der damaligen politischen Führung und der bäuerlichen Bevölkerung gleichermaßen gewesen, sagte Kiendl. Heute gebe es gottseidank keinerlei Unterschiede mehr zwischen den damaligen Flüchtlingen und Einheimischen. Alle, die Einheimischen und die Nachkommen der neuen Bürgerinnen und Bürger der ersten Stunde, seien zu einer wirklichen Einheit verschmolzen. Allerdings bleibe die Verpflichtung, auch heute die Anderen - den Nächsten - nicht zu vergessen, sondern mit Empathie und Engagement den Ausgleich zu suchen. „Dann trägt die Erinnerungskultur Früchte bis in die heutigen Tage“, fasste Kiendl zusammen. „Dieser Ort hier am Gedenkstein ist sichtbarer Ausdruck für unseren Auftrag, das Erinnern selbst, und das Wissen um das Erinnern, sowie um die schrecklichen und glücklichen Ereignisse immer und immer weiterzutragen. Danke, dass sie heute gekommen sind. Sie haben diesen Auftrag verstanden und sie leben ihn“, schloss der Bürgermeister. Es folgten eine Kranzniederlegung, sowie das „Großer Gott wir loben dich“, die Bayernhymne und das Deutschlandlied, alles intoniert von der Doafmuse.
Zum Dankgottesdienst waren Fahnen der Ortsvereine im Altarraum aufgereiht. Zweite Bürgermeisterin Maria Feigl trug die historische Predigt von Pfarrer Laubmeier vom 27. April 1946 vor. Pfarrer Uwe Biedermann gedachte auch der Menschen, die den aktuellen Krieg in der Ukraine nicht gewollt haben, jetzt aber von diesem zerrieben werden. Schierling sei 1945 massiv bedroht gewesen und bewahrt geblieben. Dafür wurde Gott gedankt und dieser Dank mahne als Herausforderung für die Gegenwart. „Gegen allen Pessimismus vertrauen wir auf Gott!“, so Biedermann. Der Kirchenchor gestaltete den ökumenischen Gottesdienst mit und sang dabei auch von Lorenz Maierhofer „Herr, lass uns versteh'n, dass wir verbunden sind, als Gottes Kinder, alle Menschen, alle Völker“. Pfarrer Bernhard Pastötter betonte, dass wohl alle den Wunsch nach Frieden im Herzen verspüren, „wir in Schierling und auf der ganzen Welt“. Der Wunsch nach Frieden verbinde, und wer einen solchen nicht hat, bei dem stimme etwas nicht. „Aber nicht Friede, sondern der Streit ist die Realität!“, bedauerte der Pfarrer. Der Wunsch nach Frieden sei nicht ins Leere gerichtet, sondern an ein Gegenüber, das offenbar die Macht hat, den Wunsch zu erfüllen und dem Flehen nachzugeben, nämlich an Gott. Die Erinnerung und die Dankbarkeit an die Errettung aus Kriegsnot damals sporne die heutigen Menschen an, nicht aufzuhören, den Wunsch nach Frieden vor Gott zu bringen, denn der Friede sei Gabe und Geschenk des Herrn. Und dem Menschen als Gottes Ebenbild stehe keine Wertung zu, ob der eine Mensch schlechter und der andere besser sei, „und schon gar nicht, ob jemand lebenswert ist“, sagte Pfarrer Pastötter. Er zitierte den berühmten Theologen, Religionsphilosoph und Priester Romano Guardini (1885-1968), nach dem die richtige Einstellung zum Glauben davor bewahrt, andere Menschen zu missbrauchen. „Die richtige Einstellung zum Glauben wird der Schlüssel zum Frieden!“, schlussfolgerte der Pfarrer und rief zum Gebet für den Frieden auf.

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Am 78. Jahrestag der Errettung aus Kriegsnot legte Schierlings Bürgermeister am Gedenkstein einen Kranz nieder. Der Gedenkstein war 1995 zur Verlängerung des Gelübdes gesetzt worden.

Am Dankgottesdienst in der katholischen Pfarrkirche nahmen auch viele Vereine teil. Die Pfarrer Bernhard Pastötter und Uwe Biedermann wünschten persönliche Friedensbekenntnisse und erbaten Gottes Segen für alle Menschen.

Die „Friedensfahne“ des Marktes Schierling bringt die Sehnsucht nach Frieden in vielen Sprachen zum Ausdruck.

Text und Fotos: Fritz Wallner