Unbehagen, ja Angst, hat sich in den letzten beiden Jahren in der Bevölkerung breit gemacht. Zuerst die Covid-19-Pandemie mit ihren bisher über 132 000 Toten allein in Deutschland, dann seit 24. Februar der mörderische Krieg Russlands gegen die Ukraine, mitten in Europa. Zu allen Zeiten hat die Musik auf solche Schrecken reagiert. Prof. Kunibert Schäfer bot mit seinem neuen Ensemble „Art Vokal“ in der Pfarrkirche Schierling ein Konzert unter dem Thema „Musik gegen die Angst-mit gesprochenen Zwischentönen“ an, das die Besucher inhaltlich beeindruckte und in der Qualität begeisterte.

Das Konzert in der Pfarrkirche erinnerte an die Zeit, als Kunibert Schäfer 24 Jahre lang den Schierlinger Kirchenchor leitete und immer wieder herausragende musikalische Ereignisse ermöglichte. Das aktuelle Konzert wurde vom Kulturreferat im Schierlinger Rathaus organisiert und ausgeschrieben. Pfarrer Bernhard Pastötter erklärte sich sofort bereit, das Gotteshaus zur Verfügung zu stellen. Er begrüßte die rund 120 Gäste und machte die Befindlichkeiten und Beweggründe in einer so turbulenten Zeit wie der aktuellen bewusst.

Das Ereignis war Teil eines Konzerttriptychons, das Kunibert Schäfer in den letzten Monaten zum Thema „Not in der Welt“ zusammengestellt hat. Die Serie von drei Konzerten ist der „Not“, der „Angst“ und der „Hoffnung“ gewidmet. Schauplätze waren Kirchen in Regensburg und Schierling und es folgt noch ein Konzert am 20. Mai in Stuttgart.
Gleich zu Beginn, und doch im Mittelpunkt, stand in Schierling das Kyrie aus der "Missa In angustia Pestilentiæ" (in der Not der Pest), komponiert und aufgeführt von Orazio Benevoli im Jahre 1656 in der Basilika San Pietro in Rom. Damit sollte die Barmherzigkeit Gottes beschworen und der Pest-Epidemie ein Ende gesetzt werden, die damals in Rom wütete. Das Werk ist für 16 Stimmen und 4 Chöre verfasst, was vom Ensemble eine Höchstleitung an Konzentration und Präzision verlangt. Begleitet wurde der Chor von einem Barockensemble auf historischen Instrumenten. Kunibert Schäfer führte die Instrumentalisten sowie Sängerinnen und Sänger, allesamt entweder aktive oder ehemalige Studierende der Hochschule für katholische Kirchenmusik in Regensburg, sicher und motivierend durch das große Werk.
Die gesprochenen „Zwischentöne“ trug Gerhard Kolbeck, der Chorleiter in Regensburgs Pfarrei St. Mang, vor. Nach der Chorimprovisation „O bone Jesu“ folgte der Text „Klagemauer“ des Redemptoristen Klemens Jockwig. Er fragt darin „Wohin kann ich die Sorgen tragen und von den Schultern gleiten lassen?“, angesichts der vielen Corona-Toten, die nicht mehr zu schließende Lücken hinterließen. Beim Konzert waren auch doppelchörige Motetten von J.S. Bach sowie zwei anspruchsvolle Chorimprovisationen, sowie das Orgelwerk „Fantasie in c-moll“ von J.S. Bach zu hören. Immer wieder kam Kolbeck zu Wort, der mit den Texten zu aktuellen Themen die musikalischen Beiträge gliederte. Besonders unter die Haut ging das Gedicht der Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs: „Hier ist Amen zu sagen; diese Krönung der Worte, die ins Verborgene zieht“, das sie der Friedens-Idee gewidmet hat. Den Schluss bildete eine A-Cappella-Arbeit von Knut Nystedt, die durch Bachs „Komm, süßer Tod“ inspiriert wurde.
Angesichts der Dramatik der Themen zögerten die Besucher zuerst mit dem Applaus, doch dann erhoben sie sich von ihren Plätzen und zollten damit dem Ensemble, den Solisten und dem Dirigenten größte Anerkennung und Respekt für die Idee und deren Verwirklichung. Von einer „würdevollen Stunde“ war anschließend die Rede, welche die Besucher mit der Hoffnung entließ, dass bald Frieden werden möge in Europa. Sie erinnerten sich an Nelly Sachs, die den Frieden als die „leiseste aller Geburten“ bezeichnete. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte dazu 1987 kommentiert, dass der Friede unter den Völkern nur gedeihen kann, „wenn wir auch im eigenen Volk friedlich miteinander umgehen lernen.“

Schierling Konzert Musik gegen die Angst 01

Wir machen Frieden

Einer der vorgetragenen „Zwischentöne“ war ein eindrucksvolles Gedicht der österreichischen Lyrikerin Friedl Hofbauer (1924-2014): „Wir machen Frieden. Sag mir, Kind, was glaubst du, wo der Frieden beginnt? Wir machen Frieden bei uns zu Haus und anderswo brennen Häuser aus und die Funken treiben über die Welt von einem Land in das nächste Land. Wie machen wir einen Frieden, der hält? Wo fängt der Frieden an, mein Kind? Nicht beim Warten, dass der andre beginnt. Wir machen Frieden, das sagt sich leicht. Warten wir nicht, bis der Brand uns erreicht, warten wir nicht, bis kein Haus mehr steht! Machen wir Frieden in aller Welt, damit sie uns nicht in Asche zerfällt! Machen wir Frieden – bei uns – bei euch! Machen wir Frieden – jetzt – heute – gleich!

Foto: In der Pfarrkirche Schierling führte Prof. Kunibert Schäfer (links) mit seinem Vokalensemble „Art Vokal“ und Instrumentalsolisten sowie einem Sprecher „Musik gegen die Angst“ auf

Text und Bild: Fritz Wallner