Realisierungswettbewerb Neues Rathaus

Nach einem europaweit ausgelobten Realisierungswettbewerb wurden zahlreiche Wettbewerbsbeiträge von Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros aus dem gesamten Bundesgebiet sowie Österreich fristgerecht eingereicht. Das Preisgericht, das sich aus Sach- (Vertreter des Marktes Schierling) und Fachpreisrichtern (ausgewählte Architekten) zusammengesetzt hatte, konnte sich nach einer 12-stündigen Sitzung einstimmig für den Entwurf von CODE UNIQUE Architekten aus Dresden einigen. Anfang Oktober wurden die Modelle und detaillierten Pläne der Preisträger sowie aller Wettbewerbsteilnehmer eine Woche lang in der Mehrzweckhalle in Schierling ausgestellt.

Nun folgt die virtuelle Darstellung
Neben den aussagekräftigen Planunterlagen (Städtebau, Perspektive, Grundriss, Schnitt) und einem Bild des Modells, findet sich auch eine detaillierte Beschreibung des ausführenden Architektenbüros zum Entwurf. Zudem kann die Bewertung des Preisgerichts eingesehen werden.

ERGEBNISSE REALISIERUNGS­WETTBEWERB


Weitere Teilnehmer

ALN Architekturbüro Leinhaeupl + Neuber GmbH

Bewertung Preisgericht

Die Verfasser versuchen durch einen polygonalen Baukörper die Einbindung in das örtliche Platzgefüge. Der Vorplatz erscheint dabei zu knapp bemessen, der geschichtete, viergeschossige Baukörper mit gefalteter Dachlandschaft wirkt in seiner Erscheinung ortsfremd. Die allseitig auskragenden Decken sind konstruktiv aufwändig und kostenintensiv. Der Entwurf weist außerdem im Vergleich der Arbeiten die höchste Verkehrsfläche auf.

Beschreibung des Architekturbüros

Der Städtebau – ein Solitär mit Außenbezug

Der Markt Schierling zählt zu den kontinuierlich wachsenden Gemeinden der südlichen Oberpfalz. In diese Dynamik eingebettet wachsen auch die Anforderungen und Aufgaben an sein Rathaus als Verwaltungshauptsitz und verlangen nach einem funktionalen und repräsentativen Gebäude als Herz der Gemeinde.

Zwischen Rathausplatz und großer Laber, am Kreuzungspunkt von Hauptstraße und der kleineren Ost-West- Querung gelegen besetzt das Rathaus ähnlich wie der Kirchenbau St. Peter und Paul einen markanten und stadtbildprägenden Punkt. Neben der repräsentativen Marktfassade kommt dem Neubau auch die Aufgabe zu, zwischen den verschiedenen heterogenen Baustilen zu vermitteln und zugleich baulich den Durchgang von Nordwesten nach Südosten zu MVZ und Fluss zu gewähren. Der Neubau setzt sich selbstbewusst mit der eigenen Architektursprache auskragender Ebenen an diese Stelle. Mit seinen vier Geschossen orientiert er sich an der umliegenden, etwas niedrigeren Bebauung und setzt einen städtebaulichen Hochpunkt als Pendant zum diagonal gegenüberliegenden Bräustüberl. Aufgrund des Hochwasserrisikos durch die nahe Große Laber verzichtet der Neubau auf ein Untergeschoss und ruht auf einer Art Sockel, der sich aus den Außenanlagen aus Treppen, Rampen und Pflanzbecken formt. Auf der Ostseite des Gebäudes bleibt der kleine Parkplatz nahezu erhalten und wird durch einen schmalen Parkstreifen auf der Südseite des Neubaus ergänzt. Baumbestandene Grünstreifen in Trapezform gliedern die Bereiche und flankieren den Neubau.

Das Rathaus – kommunikativ, transparent und barrierefrei

Vom Marktplatz kommend ist der Haupteingang über die nordwestliche Gebäudeecke zu erreichen. Über eine langgezogene Rampe entlang der Nordfassade sowie eine kurze Außentreppe betreten die BürgerInnen und MitarbeiterInnen das lichte dreigeschossige Foyer. Ein zweiter Eingang liegt diametral gegenüber und ermöglicht so eine Querung des Gebäudes. Zudem ist dieser Zugang mit angebundenem Treppenhaus und Aufzug unabhängig von den Öffnungszeiten des Bürgerbüros für Veranstaltungen zu nutzen. Auch hier steht für den barrierefreien Zutritt eine Rampe zu Verfügung, die wie auch die vordere Rampe auf kurzem Weg für gehandicapte BesucherInnen im Südwesten des Neubaus angebunden ist. An das Foyer mit Empfangsbüro und Wartebereich schließt sich im westlichen Gebäudeteil das Bürgerbüro mit optional fünf Arbeitsplätzen, Nebenbüros und Besprechungsraum an, während sich auf der Ostseite Sanitär- und Nebenräume sowie der Hausanschluss- und ein auch von außen zugänglicher Müllraum befinden.

Über eine offene Wendeltreppe sowie die beiden Fluchttreppenhäuser wird das 1. Obergeschoss erreicht. Auch hier sind die Hauptnutzungen auf der Westseite zu finden. Neben dem Bauamt ist auf dieser Ebene die Stadtkämmerei mit Kassenbüro angesiedelt, während allgemeine Bereiche wie Besprechungsraum, Sanitär-, Server- und Technikräume auf der Ostseite angeordnet sind. Zwei Terrassen, z.T. mit angeschlossenem Aufenthaltsbereichen, auf der Nord- und Südseite ergänzen das Raumangebot.

Im 2. Obergeschoss ist die Aufteilung identisch: Auf der Westseite befinden sich die Räume des Hauptamtes als Sitz von Bürgermeister und Stellvertreter, den Abhängigkeiten der Auslobung folgend, und im östlichen Gebäudeteil sind Besprechungsraum, Sanitär-, und weitere Nebenräume untergebracht. Auch hier ermöglichen repräsentative Terrassen zu beiden Längsseiten des Gebäudes den Blick zur öffentlichen Seite des Rathausplatzes sowie in Richtung Flusslauf.

Das abschließende 3. Obergeschoss wird vom Sitzungssaal dominiert, in dem auch die Dachfaltung zur Geltung kommt. Der Hauptzugang erfolgt über den südlichen Erschließungskern. Während im östlichen Teil der Funktionsbereich mit Archiv sowie Technik- und Nebenräume verortet sind, befindet sich der Sitzungsbereich im Westen. Über ein kleines Foyer mit angeschlossener Teeküche wird der flexibel zu bestuhlende sowie teilbare Saal erreicht. Angelagerte Technik- und Lagerräume dienen zur Ergänzung für Veranstaltungsequipment. Eine großzügige Terrasse ist direkt vom Saal sowie aus Foyer und Teeküche zu betreten und bietet Ausblick Richtung Süden.

Konstruktion, Fassade und Energie

Die statische Grundstruktur bilden Stahlbetondecken und -kerne der Erschließungen. Dabei kragen die Geschossdecken unterschiedlich weit aus, so dass im Erdgeschossbereich an den Zugängen überdachte Bereiche entstehen. Zugleich dienen die Auskragungen in den oberen Geschossen als Terrassen sowie Grünbereiche mit extensiver Bepflanzung. Diese klimaangepassten Gräser und Staudengewächse bilden neben ihrem Anteil zur Biodiversität zusätzliche Retentionsvolumen bei Regenereignissen und tragen mit ihrem Mikroklima insbesondere in den Sommermonaten zur angenehmen Temperierung des Gebäudes bei.

Geprägt wird der Neubau durch die horizontalen Deckenbänder. Wie auch die Fassade sind sie mit glatten, leicht schimmernden Betonfertigteilen verkleidet, was in Kombination mit den dunklen Holz-Aluminium- Fensterelementen einen wertigen und repräsentativen Eindruck vermittelt. Die Fenster erhalten eine Dreischeiben-Isolierverglasung mit Sonnenschutzgläsern sowie einen außenliegenden Blend- und Sonnenschutz. Das gefaltete Dach des kompakten Neubaus ist mit Photovoltaik-Schindeln gedeckt, deren Ertrag einen Batteriespeicher speist. Über die damit betriebene Grundwasserwärmepumpe kann in den wärmeren Monaten eine freie Kühlung bereitgestellt werden. Die Wärmeverteilung erfolgt hingegen über eine Bauteilaktivierung der Geschossdecken, während bei Kältespitzen einzelne sorgfältig platzierte Heizkörper zusätzlich in Betrieb genommen werden.

Die Lüftung des Gebäudes erfolgt über dezentrale Lüftungselemente in der Fassade. Von hier strömt die Luft in einem Kreislaufsystem über die Flure in den öffentlichen Bereich, wo die zentrale Absaugung der verbrauchten Luft mit Wärmerückgewinnung erfolgt. Über Glykolleitungen geschieht der Energierücktransport zur Vorkonditionierung der Zuluft an den Lüftungsgeräten. Im Sommer kann die Lüftung zusätzlich zur Nachtauskühlung genutzt werden. Auch der Einsatz energiesparender LED-Beleuchtung sowie ihr präsenz- und tageslichtgesteuerter Einsatz tragen dazu bei, einen repräsentativen und zugleich energetisch effizienten Rathausneubau zu entwickeln.

Der Ideenteil – bewahren, zonieren und weiterentwickeln

Mit dem Neubau des vorliegenden Entwurfs wird ein prägnanter Baustein in das Stadtbild eingefügt. Dabei wird die bestehende Struktur des Ortes nur wenig verändert. Stattdessen werden Stärken wie die Zonierung in funktionierende Markt-, Gastronomie- und Aufenthaltsflächen nur durch Baumpflanzungen und trapezförmige Freianlagen betont. Insbesondere die zwei Herzen „Markt“ und „Gastronomie“ des Rathausplatzes werden dadurch vom Verkehr getrennt und als geschützte Funktionszonen für Marktleute, Besucher und ihre Kinder definiert. Während im Westen der lebhaftere Biergartenbereich mit dem erhaltenen Brunnen entsteht, lädt das zweite Herz zu Markt- und Cafébesuch unter großen Sonnenschirmen ein. Auch hier bleibt der Bestand in Form des Kriegerdenkmals unangetastet. Die trapezförmigen Neuanlagen nehmen neben Grün in Form von Bäumen, Büschen oder Blumen an ihren Außenseiten Funktionen wie Bänke und Bushaltestelle auf und unterstützen somit die Promenadenwirkung.

Bestehende Wegeverbindungen bleiben unbeeinträchtigt und ihre Barrierefreiheit wird sichergestellt. Mit dem zweiten Rathauszugang im Süden besteht die Option eine ehemalige Rückseite und reine Parkfläche zu einem attraktiven Stadtquartier mit Blick zum Flusslauf weiterzuentwickeln.